Stehende und applaudierende Delegierte am Ende der 113. Internationalen Arbeitskonferenz

113. Internationale Arbeitskonferenz / 113th ILC - 2. - 13. Juni 2025

ILO verabschiedet bahnbrechendes Übereinkommen über biologische Gefahren im Arbeitsumfeld

Auf der Internationalen Arbeitskonferenz (ILC) - der jährlichen Tagung der International Labour Organization (ILO) - wurde neben anderen Themen eine erste normsetzende Diskussion über menschenwürdige Arbeit in der Plattformökonomie geführt.

16. Juni 2025

Abschlussveranstaltung der 113. Internationalen Arbeitskonferenz © ILO

GENF (ILO News) – Die 113. Internationale Arbeitskonferenz  endete am 13. Juni mit der Verabschiedung der allerersten internationalen Arbeitsnormen, die darauf abzielen, die Exposition gegenüber biologischen Gefahren am Arbeitsplatz zu verhindern und  Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor diesen Gefahren zu schützen - ein bahnbrechender Schritt in den weltweiten Bemühungen um Gesundheit und Schutz am Arbeitsplatz in allen Sektoren.

Das Übereinkommen (C 192) fordert  Mitgliedstaaten auf, nationale Strategien zur Sicherheit und zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zu formulieren und umzustetzen, die den Schutz vor biologischen Gefahren sowie die Entwicklung von Bereitschafts- und Reaktionsmaßnahmen bei Unfällen und Notfällen umfassen. Sie verpflichtet Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, in Zusammenarbeit mit  Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die auch über Gefahren und Risiken informiert und geschult werden müssen, Präventions- und Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Die beigefügte Empfehlung enthält detaillierte Leitlinien für die Umsetzung, einschließlich Risikobewertung, Frühwarnsysteme, Bereitschafts- und Reaktionsmaßnahmen (z. B. bei Ausbrüchen, Epidemien oder Pandemien) und Schulungen. Außerdem werden biologische Gefahren und Risiken näher erläutert und es werden spezifische Expositions- und Übertragungswege aufgeführt, wie z. B. durch die Luft, durch Kontakt oder durch Vektoren übertragene Krankheiten.

Zusammengenommen bieten die Instrumente einen starken und anpassungsfähigen Rahmen, um biologische Gefahren an allen Arten von Arbeitsplätzen jetzt und in Zukunft zu verhindern. Übereinkommen sind rechtsverbindliche internationale Verträge, die von den Mitgliedstaaten ratifiziert werden können, während Empfehlungen als unverbindliche Leitlinien dienen.

Das Plenum prüfte den Bericht des Generaldirektors der ILO, Gilbert F. Houngbo, Arbeitsplätze, Rechte und Wachstum: Die Verknüpfung stärken - Bericht des Generaldirektors. „Aus Ihren Reaktionen auf meinen Bericht habe ich einen breiten Konsens darüber herausgehört, dass sozialer Dialog und demokratische Institutionen von wesentlicher Bedeutung sind, um  sozialen Zusammenhalt zu fördern, Vertrauen aufzubauen und sowohl nachhaltige Unternehmen als auch auf den Menschen ausgerichtete Gesellschaften zu unterstützen“, sagte Houngbo bei der Abschlussveranstaltung der ILC.

Er wies auch darauf hin, dass während der Tagung 18 Ratifizierungsurkunden aus 8 Mitgliedstaaten registriert wurden. "Unser Mandat und unsere Arbeit sind heute wichtiger denn je. Wir sind weit gekommen, und natürlich liegt noch ein weiter Weg vor uns, und manchmal scheint es, als ginge es nicht schnell genug. Aber es ist unsere Pflicht, auf dem Weg zu sozialer Gerechtigkeit gemeinsam weiter voranzukommen", fügte Houngbo hinzu.

Plattformökonomie und weitere Themen

Auf der  Konferenz wurde auch die  erste normsetzende Diskussion über menschenwürdige Arbeit in der Plattformökonomie geführt, ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Rechte und Bedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf digitalen Plattformen und ein Beweis dafür, dass technologische Innovation, Schutz und Fairness Hand in Hand gehen können. Die Konferenz einigte sich auf zentrale Aspekte, darunter die Art der Instrumente, ein Übereinkommen mit einer begleitenden Empfehlung, und legte grundlegende Definitionen und den Geltungsbereich fest.

Die vorgeschlagenen Normen decken ein breites Spektrum von Themen ab, wie z. B. grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit, gerechte Entlohnung, soziale Sicherheit, Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, Auswirkungen automatisierter Systeme auf Arbeitsbedingungen und den Zugang zur Arbeit, Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre sowie wirksamer Zugang zur Streitbeilegung. Die Diskussion wird auf der 114. Sitzung der ILC 2026 fortgesetzt, mit dem Ziel, beide Instrumente zu verabschieden.

Zudem verabschiedete die ILC eine Entschließung zur Verringerung von Informalität und Förderung des Übergangs zur Formalität. In dem Beschluss werden dringende Maßnahmen zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen, zur Ausweitung des Sozialschutzes und zur Schaffung menschenwürdiger Arbeitsplätze gefordert, insbesondere für diejenigen, die am stärksten von Informalität betroffen sind. Außerdem wird die ILO aufgefordert, eine globale  Strategie zu entwickeln und Länder bei der Umsetzung nationaler Maßnahmen zu unterstützen.

Die ILC hat mit überwältigender Mehrheit sieben Änderungen des Codes des Seearbeitsübereinkommens von 2006 (MLC, 2006) angenommen. Die Änderungen befassen sich mit Gewalt und Belästigung an Bord, stärken das Recht auf Landgang und Heimkehr und fordern die Anerkennung von Seeleuten als Schlüsselarbeitskräfte. Außerdem wird der Zugang zu medizinischer Versorgung verbessert und eine faire Behandlung im Falle von Festnahmen oder Seeunfällen sichergestellt.

Darüber hinaus wurde die formelle Zustimmung zum tripartiten Beitrag der ILO zum zweiten World Summit for Social Development, der im November 2025 in Doha, Katar, stattfinden soll, erteilt. Die Entschließung fordert die aktive Beteiligung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen und weist der ILO eine führende Rolle bei der Weiterverfolgung und Überwachung der Ergebnisse des Gipfels zu.

Die ILC nahm ferner eine Entschließung an, in der die Militärbehörden Myanmars aufgefordert werden, die Empfehlungen der ILO-Untersuchungskommission zur Vereinigungsfreiheit und zur Beseitigung von Zwangsarbeit umzusetzen, und in der eine verstärkte internationale Unterstützung und Überwachung zum Schutz von Arbeitnehmerrechten gefordert wird.

Die Delegierten der Konferenz genehmigten den Bericht des Committee on the Application of Standards (CAN), der die Anwendung mehrerer ILO-Übereinkommen in 24 Länderfällen geprüft hat. In einer Sondersitzung zu Weißrussland drängte der Ausschuss auf die Einhaltung der Empfehlungen des Untersuchungsausschusses von 2003 zu den Übereinkommen Nr. 87 und 98 und äußerte seine tiefe Besorgnis darüber, dass die weißrussische Regierung nach wie vor strafrechtliche Sanktionen und gerichtliche Schikanen gegen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter einsetzt, die legitime Tätigkeiten ausüben. Ferner untersuchte der Ausschuss die Anwendung von vier Übereinkommen und zwei Empfehlungen im Bereich des Schutzes vor Arbeitsunfällen in ratifizierenden und nicht ratifizierenden Mitgliedstaaten.

Die ILC beschloss, Palästina zur Teilnahme an ILO-Sitzungen als Nichtmitglied mit Beobachterstatus einzuladen und damit seinen bisherigen Status als Befreiungsbewegung aufzugeben.

Die ILC verabschiedete auch die Entschließung über das Programm und den Haushalt für 2026–27, einschließlich der Aufteilung des Einnahmenhaushalts auf die Mitgliedstaaten.

Die zweite Ausgabe des jährlichen Forums der Global Coalition for Social Justice  fand am 12. Juni am Rande der ILC statt. Auf dem Forum wurde das Engagement der Koalition bekräftigt, durch konkrete Maßnahmen einen echten Wandel herbeizuführen und das Leben der Menschen zu verbessern. Es nahmen Partner der Koalition und tripartite Delegationen der ILO teil. Der Präsident der Dominikanischen Republik, Luis Abinader, nahm ebenfalls an dem Forum teil, ebenso wie der brasilianische Minister für Arbeit und Beschäftigung, Luiz Marinho, dessen Regierung den Ko-Vorsitz der Koordinierungsgruppe der Koalition innehat. An dem Forum nahmen zahlreiche Ministerinnen und Minister, Regierungsvertreterinnen und -vertreter, Vertreterinnen und Vertreter von UN-Partnerorganisationen, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen, der Zivilgesellschaft, des Privatsektors und akademischer Einrichtungen teil.

Die 113. ILC fand vom 2. bis 13. Juni 2025 in Genf statt. Sie wurde von mehr als 5.400 Delegierten besucht, die Regierungen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen vertraten. Die ILC ist die jährliche Versammlung der 187 Mitgliedstaaten der ILO, der Sonderorganisation der Vereinten Nationen für die Welt der Arbeit.